Aachener Kammerorchester beweist auch bei schrägen Tönen große Klasse

Aachen. Es klang wie Filmmusik, meinte eine Konzertbesucherin beim Hinabsteigen der Rathaustreppe. Ein guter Vergleich, denn die Bilder kalter Winternächte und verschneiter Wiesen und Felder drängte sich beim Weihnachtskonzert des Aachener Kammerorchesters geradezu auf.

Während sich auf Katschhof und Rathausplatz die Massen über den Weihnachtsmarkt drängten, spielten hoch über den Köpfen die Musiker des Kammerorchesters ein erstklassiges Konzert voller klassischer winterlich-weihnachtlicher Stücke russischer Komponisten.

Die Einleitung zu Nikolai Rimski-Korsakows Oper Die Nacht vor dem Christfest eröffnete das Konzert. Die gleichnamige Oper leidet unter dramaturgischen Schwächen, allerdings ist das Stück selbst eine wunderbare Einstimmung auf weiße Winternächte. Klirrende Kälte transportiert durch regelmäßige Trillerbewegungen in den Streichern, erinnerten bisweilen an Vivaldis Winter. Ein harmonischer Blechbläserklang sowie lange Haltetöne in den Holzbläsern malen das Bild kalter Winternächte in einem dunklen, stillen Wald. Ein hervorragend ausgearbeiteter Schluss, den die Querflöte bis zum letzten Ton hielt, rundeten das Stück ab.

Wer bei Alfred Schnittkes Stille Nacht für kleines Orchester das klassische Weihnachtslied in Orchestergewand erwartete hatte, der konnte nur enttäuscht werden. Schon nach den ersten Tönen klang das Stück mehr wie ein Vorspielstück mehrerer sehr junger Musikschüler, falsche Töne, falsch gesetzte Pause, unharmonische Stellen — wer schon einmal einen erfahrenen Musiker gefragt hat, ob es leicht ist, schief zu spielen, dem wird geantwortet werden, dass dies doch recht schwer ist. Hier sind die falschen Töne sogar notiert. Daher kann man dem Orchester für dieses Stück nur Respekt zollen. Mit Serge Koussevitzkys Konzert fis-moll op. 3 für Kontrabass und Orchester blieb das Orchester unter Leitung von Reinmar Neuner seiner Linie treu auch Stücke unbekannterer Komponisten zu spielen. Beeindruckend zeigte Solokontrabassist Detmar Kurig sein Können auf dem Instrument, dem eine derartige Vielseitigkeit selten zugetraut wird. Nach dem Stückes gab es viel Applaus und für Kurig die Möglichkeit zu einer eindrucksvollen Improvisation.

Nach der Pause ging es weiter mit Peter Iljitsch Tschaikowskis 1. Sinfonie g-moll, op. 13 unter dem Titel Winterträume. Die Sinfonie ist zwar nicht als Programmmusik zu verstehen, doch jeder Satz machte es möglich, in winterliche Welten einzutauchen, mal düster und dramatisch, mal still und leise. Ein durchweg gelungener Auftritt, auch wenn einige im Publikum nicht wussten, dass zwischen einzelnen Sätzen einer Sinfonie nicht geklatscht wird. Für dieses Stück war das Wort Filmmusik tatsächlich passend, erinnerten doch einige Passagen an den derzeit sehr gefragten Filmkomponisten Hans Zimmer. Auch bestach das Stück durch eine Vielzahl von Soli einzelner Instrumentgruppen, die sonst unterschätzt werden, etwa die Bratschen oder die Kontrabässe. Nach dem Konzert gab es zurecht Standing Ovations für die Musiker.

von Eva Onkels
Aachener Zeitung, 14. Dezember 2014